Biografie
"Ich hab die Schnauze voll, ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken!" Die Menschen an den Bildschirmen jubeln ihm zu; der alternde Nachrichtensprecher Howard Beale alias Peter Finch hat ihnen aus der Seele gesprochen. Verzweifelt wegen seiner Entlassung, hat er angekündigt, sich vor dem Millionenpublikum eine Kugel in den Kopf zu schießen. Sein Protest macht ihn bei den Fernsehzuschauern zum Idol, durch die Sensationsmeldung wird er zum Quotengiganten. Als Beale dann aber vor der Kamera das Fernsehen für alles Unglück dieser Welt verantwortlich macht, lässt man ihn nicht länger gewähren: Man entledigt sich seiner.
Peter Finch erlebt den Triumph seiner grandiosen darstellerischen Leistung in diesem Film nicht mehr: Als Sidney Lumets Mediensatire "Network" 1977 in die Kinos kommt, ist Peter Finch tot. Postum erhält er den Oscar. Finch ist der Sohn eines australischen Psychiaters. Als er zwei Jahre alt ist, lassen sich die Eltern scheiden. Er wächst bei Verwandten auf, zuerst in Frankreich, dann in Indien. In Sydney geht er zur High School, danach wird er Zeitungsreporter. Während der Depressionsjahre schlägt er sich mit allerlei Jobs durch, nach 1938 spielt er kleine Filmrollen inaustralischen Filmen. 1945 gründet er die Theatertruppe "Mercury Players". Zwei Jahre später sieht ihn dort das Ehepaar Laurence Olivier und Vivian Leigh auf der Bühne und ist begeistert. Sie fordern ihn auf, nach London zu kommen, und Vivian beginnt mit Finch eine Affäre.
1949 lädt ihn Olivier offiziell ein, und damit beginnt Peter Finchs eigentliche Karriere. Sein Bühnendebüt in London gibt er an der Seite der großen Edith Evans in "Daphne Laureola", und er steht in den Folgejahren gemeinsam mit Orson Welles und John Mills auf der Bühne. "In meinem Alter und nach so vielen Schauspielerjahren beginnt man, bei der Wahl der Rollen immer anspruchsvoller und kritischer zu werden. Die Menschen, die ich heute spiele, müssen lebensecht sein und mich persönlich wirklich interessieren", sagt Peter Finch 1971 in einem Gespräch. Er war damals gerade für die Rolle des homosexuellen jüdischen Arztes Dr. Daniel Hirsch in John Schlesingers "Sunday, Bloody Sunday" für den Oscar nominiert worden. Bereits vorher hatte er mehr als zwei Dutzend Kinorollen gespielt, mit namhaften Regisseuren wie William Dieterle, Fred Zinnemann, Robert Aldrich und Jules Dassin.
1949 fällt der Bühnenschauspieler als Mörder in Basil Deardens Episodenfilm "Train of Events" auf, dann wird er an der Seite von Elizabeth Taylor in "Elefantenpfad" (1953) als betrogener Plantagenbesitzer zum Hollywood-Star. 1955 bis 61 ist er bei J. Arthur Rank unter Vertrag. Mit seiner damaligen Frau Yolande Turner schreibt, produziert und inszeniert er 1960 den Kurzfilm "Antonito/The Day". Da war er gerade durch die Hauptrolle an der Seite von Audrey Hepburn in Zinnemanns "Geschichte einer Nonne" (1959) in den USA wieder im Gespräch. In die Schlagzeilen gerät sein Film "Der Mann mit der grünen Nelke" (1960) über Oscar Wilde. Regisseur Ken Hughes versteht es, das Gefühlsleben des homosexuellen Schriftstellers mit sehr viel Feingefühl und Distanz darzustellen, doch er muss gegen Gregory Ratoffs Konkurrenzfilm "Oscar Wilde" antreten, in dem der nicht weniger eindrucksvolle Brite Robert Morley die Titelrolle spielt.
Finch wurde mehrfach mit dem Preis der British Film Academy (BFA) als bester Darsteller ausgezeichnet. Weitere Filme mit Peter Finch: "Ihr Geheimnis" (1950), Ken Annakins "Robin Hood und seine tollkühnen Gesellen" (1952, als Sheriff von Nottingham), "Herz aller Dinge", "The Story of Gilbert and Sullivan" (beide 1953), "Die seltsamen Wege des Pater Brown" (1954, mit Alec Guinness in der Titelrolle), "Josephine und die Männer", "Der schwarze Prinz" (beide 1955), Powell/Pressburgers "Panzerschiff Graf Spee", "Simon und Laura", "Marsch durch die Hölle" (alle 1956), "Die Farm der Verfluchten", "Mann im Feuer" (beide 1957), "Jenseits des Ruwenzori" (1959), "Entführt - Die Abenteuer des David Balfour", "Und morgen alles" (beide 1960), "I Thank A Fool" (1961), "Begierde an schattigen Tagen" (1962), "Der Schlafzimmerstreit" (1963), "Die erste Fahrt zum Mond", "Das Mädchen mit den grünen Augen" (beide 1964), Robert Aldrichs "Der Flug des Phoenix", "Judith" (beide 1965), Jules Dassins "Halb elf in einer Sommernacht" (1966), John Schlesingers "Die Herrin von Thornhill" (1967), Robert Aldrichs "Große Lüge Lylah Clare" (1968), "Spiele um die Macht" (1972), "Der verlorene Horizont" und "Die Nelson Affäre" (beide 1973).
Seine letzte Rolle, in Irvin Kershners "...die keine Gnade kennen" (1976) über die Befreiung der israelischen Geiseln in Entebbe, Uganda, zeigt ihn als Israels Ministerpräsident Yitzak Rabin. Peter Finch starb während der Promotion-Tour für "Network" an einem Herzanfall.